nach den Dokumentationen der Stadt Bayreuth aus dem Jahre 1987
An der Bayreuther Gedenkstätte an den Schloßterrassen gedenkt die Stadt Bayreuth u.a. der Aufbauleistungen der Heimatvertriebenen. Auf dieser Seite sind allgemein gültige Aussagen über die Aufbauleistungen der Heimatvertriebenen in der Stadt Bayreuth aufgezeichnet. Die einzelnen Land- Gemeinden enthalten jeweils eine mehr oder weniger ausführliche Dokumentation.
Die Heimatvertriebenen leisteten einen erheblichen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region Bayreuth. Alleine in den sechs Gemeinden Bad Berneck, Creußen, Pegnitz, Speichersdorf, Warmenseinach und Weidenberg wurden in den 50er Jahren rund 200 Unternehmen gegründet. Diese haben die Wirtschaftsstruktur dieser Gemeinden maßgeblich geformt. Im Vordergrund stehen die Branchen Glas und Textil. Auf vorhandenen Ansätzen konnten mit Initiative der Heimatvertriebenen neue Wirtschaftsunternehmen entstehen.
Im Jahre 1945 lag die Industrie in Bayreuth und Umgebung nahezu brach. Ohnehin durch die neue innerdeutsche Grenze von den alten Rohstoffzulieferungen abgeschnitten, fehlten überdies zahlreiche Produktionsstätten, weil die einstigen Industrie- und Gewerbeanlagen überwiegend zerstört waren.
Der Bevölkerungszuwachs war in Bayreuth in den Jahren 1946 bis 1960 immens. Der Anteil der Heimatvertriebenen betrug im Jahre 1954 26.6 %, in Zahlen 14.274 Einwohner bei einer Gesamtbevölkerung von 60.411 Personen.
Die Heimatvertriebenen brachten aber auch ein "Mehr" an Ideen und Kreativität in die Region. Nicht wenige dieser Flüchtlinge mußten in der alten Heimat ihre eigenen Betriebe zurücklassen. Sie waren deshalb bestrebt, in ihrer Branche wieder unterzukommen und neue, ähnliche Unternehmen hier zu gründen. Außerdem befanden sich eine große Anzahl spezialisierter Facharbeiter unter den Flüchtlingen. Spezielle Erleichterungen, wie Lastenausgleich, Steuervergünstigungen und günstige Kredite, sowie der Beginn des "Wirtschaftswunders" leisteten willkommene Starthilfe.
Als Beispiel möge die Gablonzer Glasindustrie im nahen Fichtelgebirge genannt werden.
In der Stadt Bayreuth waren 29 Flüchtlingsbetriebe ansässig, von denen heute noch einige existieren. Es waren dies 13x Textil/ Bekleidung, 4x Bau, Steine, Erden, 2x Lederverarbeitung, 2x Kunststoffverarbeitung, 2x Maschinenbau, 2x Klima-/ Wärmetechnik, 1x Keramik, 1x Schmuck und Glas und 1x Holzverarbeitung. Die 1986 noch existierenden 15 Unternehmen beschäftigten 2.460 Mitarbeiter.
Die meisten Unternehmer stammten aus den grenznahen Bereichen in Böhmen, einige wenige aus Sachsen und Thüringen, einer aus Schlesien.
Die Hauptbeweggründe für die Standortwahl Bayreuth waren weniger wirtschaftlicher, sondern eher verwandtschaftlicher oder bekanntschaftlicher Art. Etwa 2/3 hatten Verwandte oder Bekannte in der Stadt, die ihnen ihre Hilfe anboten. Ein weiterer Grund war die Bereitstellung von betrieblichen Räumlichkeiten seitens der Behörden (Kasernengelände an der Rathenaustrasse).
Aufgrund der räumlichen Enge suchten aber bald viele Betriebe die Randlagen der Stadt bei Betriebserweiterungen auf. Probleme gab es bei der Suche nach geeigneten Facharbeitern. Die Flüchtlingsverwaltung war gezwungen, die Vertriebenen nach wohnraumwirtschaftlichen Gesichtspunkten aufzuteilen, die Aufteilung der Fachkräfte spielte dabei weniger eine Rolle. So mußten Ungelernte eingestellt werden, was letztendlich zu Qualitätseinbußen führte.
Die einstimmige Meinung der betreffenden Unternehmer nach einer Befragung im Jahre 1987 war, dass sie in Bayreuth eine "zweite Heimat" gefunden haben. Nur wenige Firmenbesitzer gaben an, daß, aufgrund der räumlichen Nähe, die Rücksiedelung in die alte Heimat- vorausgesetzt eine günstige politische Entwicklung- im Vordergrund stand. Zu dieser Etablierung trugen hauptsächlich drei Aspekte bei:
- die Eigentumsbildung
- die verwandtschaftlichen Beziehungen
- das meist problemlose Verhältnis zur alteingesessenen Bevölkerung.
Viele Facharbeiter benutzten ihr berufliches Können als Sprungbrett zur Selbständigkeit und trugen ebenfalls mit ihren Impulsen bei, die von dem Entwicklungspol "Vertriebenenbetrieb" für die Region ausgingen.
In neuerer Zeit müssen sich allerdings die noch verbliebenen Betriebe, wie alle anderen auch, dem Wettbewerb innerhalb der Staaten der EU stellen. Innovationen sind erforderlich, um weiterhin bestehen zu können.