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Zeitzeugenbericht Bayreuth

Das Jahr 2015 > 70 Jahre danach

Gutbesuchte Veranstaltung



Zeitzeugen
berichten

Begrüßung

Die Zeitzeugen

Margarethe Michel als Zeitzeugin

Moderator Ulrich Sachweh

Zeitzeuge Herbert Scherer

Marianne Lerch

Hertha Mann

Udo Krumpholz

Zeitzeugin Christl Fritsch

Jeder Zeitzeuge erhält eine Rose

Sehr spannend wurde es beim „Zeitzeugenprojekt Bayreuth“. Zeitzeugen berichteten unter fachkundiger Moderation von
Ulrich Sachweh, Therapeut aus München über ihre Erlebnisse zum Kriegsende, die Vertreibung, ihre Ankunft und Aufnahme in Bayreuth.
Ullrich Sachweh wies in seinen einleitenden Worten auf die Problematik der sog. „Kriegskinder“, auf diese besondere Gruppe der Erlebnisgeneration und der ausgeprägten Traumatisierung der Geburtsjahrgänge zwischen 1930 und 1945 hin. Bewusste Wahrnehmung und
sprachliche Zuordnung der Erinnerung beginnt erst ab dem dritten Lebensjahr. Vorher ist die Erinnerung ein unbewusster Zustand. Der Einfluss der Mutter ist in dieser Zeit besonders prägend. Die „Helikopter-Eltern“ von heute, die alles für ihre Kinder richten, gab es damals noch nicht. Man musste selbst entscheiden und handeln. Anfangs hatte man zwar in der Nachkriegszeit versucht, durch aufgelegte Studien
die posttraumatischen Belastungsstörungen dieser Kriegskinder zu analysieren. Man gab aber schnell auf, weil man feststellte, dass die Vertreibungskinder offenbar sehr gut mit der Vertreibungssituation zurechtkamen. Erst in einer Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München aus dem Jahr 2009 wurde festgestellt, dass das gewohnte Maß der Belastungen deutlich überschritten war.
Zeitzeugen berichteten, so Ullrich
Sachweh aus einer Zeit, die für die Nachgeborenen nicht erfahrbar ist. Deshalb sind Zeitzeugen besonders wichtig
Margarete Michel aus Pegnitz schilderte die Vertreibung ihres 1938 geborenen Mannes aus Ostpommern in einem Viehwaggon, eingepfercht mit 50 Personen.  Es war bitterkalt. Zum Beheizen gab es einen Kanonenofen. In einer Ecke des Waggons wurde ein Loch ausgeschlagen und er als Toilette benutzt.
Die Abfahrt aus Stettin fand unter russischen Beschuss statt. Dabei ist auch die Großmutter schwer verwundet worden.  Während der Zugfahrt entzündete sich das ausgelegte Stroh im Waggon. Nur mit großen Anstrengungen wurde es gelöscht. Diese Erfahrung ergab ein Traumata welches im Leben ihres Ehemannes immer wieder kehrt. Dies prägt und führt zu ständigen Abwehrreaktionen.
Marianne Lerch war bei ihrer Vertreibung 19 Jahre alt. Sie kam mit einem der ersten Vertriebenentransporte aus Marienbad nach Traunstein. Mit 30 kg Gepäck in einem Viehwaggon mit 40 Personen. In Traunstein hat sie geheiratet. Der Ehemann war als Soldat schwer verwundet und hatte schlimme Kriegserfahrungen.  Ihre Kinder sind „Gott sei Dank“ in  Oberbayern geboren. Untergekommen war die Familie auf einem Bauernhof. Sie war anfangs als Magd beschäftigt, obwohl sie vorher nie eine Gabel in der Hand hatte.  Ihre eigenen Erfahrungen konnte Sie verkraften. Aber ihre Eltern haben unter großen seelischen Schmerzen gelitten. Ihr 54 Jahre alter Vater, ein Buchhändler, war sehr traumatisiert. Über die Vertreibungssituation ist in der Familie
wenig gesprochen worden. Das Erlebte ist nicht ausgetauscht worden. Die zentrale Frage war „Wann kommen wir wieder heim.“ „Man hat ja keinen gekannt!“, dies war schlimm. Wir wussten nicht wie es weiter geht. „Wir haben wenig darüber gesprochen, wir haben mehr gehandelt“. Angst hatten wir nicht, wir haben gar keine Zeit dafür gehabt. Heute allerdings kommt Vieles wieder hoch.
Herbert Scherer wurde noch vor Kriegsende in eine tschechische Uniform gesteckt. Sie war sehr grün und verdreckt. Wir erhielten auch tschechische Gewehre die für den Krieg nicht geeignet waren. Wir wurden zum Volkssturm eingezogen.

Die Unterkünfte für uns waren in der Altstadt. Die Bayreuther Toten der Bombenangriffe wurden von uns nicht erwähnt.
Udo Krumpholz, Jahrgang 1928, kam im Mai 1945 aus der Kriegsgefangenschaft nach Bayreuth. Er wurde im April 1946 entlassen kam über Furth im Wald nach Bayreuth. Damit, so Udo Krumpholz, habe ich keine unmittelbaren Vertreibungserfahrungen und kann aus eigenen Erlebnissen dazu wenig aussagen. In Bayreuth traf er seine Mutter nach dem Krieg und sie kamen in das Lager am Festspielhaus. Sein Bruder war bereits 1943 gefallen. Sein Vater ist am 1. Mai 1946 in tschechischer Kriegsgefangenschaft gestorben.  Von Bayreuth kam die kleine Familie nach Pottenstein in der Fränkischen Schweiz. Durch seine sportlichen Fähigkeiten fand Udo Krumpholz schnell Anschluss im Fußballverein und konnte sich so gut integrieren. Wegen seiner Sprachkenntnisse übernahmen ihn die Amerikaner als Dolmetscher. Ein zentrales Thema war für ihn, wie geht es weiter, welche Ausbildung soll er anstreben und wie kann er für seine Mutter mitsorgen. Angst empfand er nicht. Die Angst war überlagert von der Sicherheit „Ich überlebe den Krieg“.
Frau Herta Mann stammt aus Johannesberg bei Gablonz und komaus einer Glaswarenhersteller Familie. Sie war seit 1943 dort im Ernährungsamt beschäftigt. Ihre tschechischen Sprachkenntnisse haben ihr sehr geholfen. Sie kann sich noch an zwei Tschechen erinnern die in die Wohnung der Eltern kamen und erklärten jetzt gehört uns alles. Dies konnte ihr Vater jedoch mit Erfolg abwehren. Zwischen Weihnachten und Neujahr 1945/1946 kamen wieder Tschechen. Bei der Durchsuchung wurde offenbar ein Revolver mitgebracht den man dann auch fand. Dies war der Grund zur Verhaftung des Vaters. Ihre Mutter ist in dieser Nacht schneeweiß geworden. Die Mutter hat nie gejammert, aber gelitten hat sie „unwahrscheinlich“. Ihr Vater war bis Juli 1946 überwiegend in Gablonz im Gefängnis.
Weil sie die tschechische Sprache beherrschte konnte sie ihren Papa im Gefängnis und später im Lager besuchen. Ohne Vater wollte die Familie nicht gehen, was auch immer wieder gelang. Zusammenbleiben war die hartnäckige Forderung und wenn, dann hoffentlich in die amerikanische Zone. Mitte August 1946 war es dann soweit. In einem Eisenbahnwaggon wurde die Familie mit 30 kg Gepäck pro Person, verstaut in Kisten abtransportiert. Letztlich landete man in Weidenberg. Die Flüchtlingskisten stehen auch heute noch dort. Durch die  Gablonzer Siedlung wurde die Wohnraumnot später beseitigt. Frau Herta Mann betonte ausdrücklich, wie sehr sie über die gute Hilfe der einheimischen Bevölkerung überrascht war.
Beindruckend auch die kurze und spontane Schilderung von Christl Fritsch, Jahrgang 1926 zu ihrer Tätigkeit als Krankenschwester mit Betreuung und Hilfe für sehr viele Vertriebenenkinder. Am Nachmittag dieses Sonntags zeigten dann die beiden Filmemacher Renate Stiefl und Horst-Peter Wagner die Dokumentation „Vom Isergebirge ins Fichtelgebirge“. Auch diese Veranstaltung war wiederrum sehr gut besucht und wurde gut angenommen.

Manfred Kees
23.03.2015



 
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