Eine große Zahl von Gästen fand sich im Schlossturmsaal Bayreuth zu einer besonderen Veranstaltung, nämlich einer Lesung mit Bernhard Setzwein mit musikalischer Begleitung durch Stefan Huber ein. Sie wurden nicht enttäuscht. Eingeladen hatten die Sudetendeutsche Landsmannschaft (SL) in Kooperation mit der Katholischen Erwachsenenbildung Bayreuth (KEB).
Eigentlich war der Abend eine Fortsetzung des 13. Juni 2013. An diesem Tag hatten die SL und die KEB die böhmische Germanistin Kateřina Kovačková aus Pilsen zu Gast. Sie referierte damals sehr gekonnt über das Thema „Otfried Preußler in neuem Licht“.
Mit der Lesung durch Bernhard Setzwein wurde nicht über sondern mit „Otfried Preußler“ vorgetragen. Das interessierte und sachverständige Publikum nahm die Ausführung mit großer Begeisterung auf.
"Die Flucht nach Ägypten" schließt die Weihnachtszeit auf entspannende Weise ab und eröffnete zumindest für die SL Bayreuth das örtliche Jahresprogramm.
Der bekannte Kinderbuchautor Otfried Preußler hat dieses Werk 1978 für Erwachsene geschrieben und zur Weihnachtszeit immer daraus vorgelesen. Allerdings erhebt der Inhalt keinen Anspruch auf Bibeltreue. Der Schriftsteller mischt Jahreszeiten und
geografische Gegebenheiten bunt durcheinander.
Da Otfried Preußler 1923 im nordböhmischen Reichenberg geboren wurde, hat er einen Teil der Handlung nach Böhmen gelegt. Die Begründung, warum die Heilige Familie auf ihrer Flucht nach Ägypten auch Böhmen durchquerte, ist laut Preußler ganz einfach: Heutige Landkarten gab es damals noch nicht und die Örtlichkeiten könnten sich auch verschoben haben.
Sehr amüsant vorgetragen von Bernhard Setzwein sind die Teilnehmer selbst eingebunden und mitten drin, in der Flucht nach Ägypten - Königlich böhmischer Teil. Und dies umso mehr, weil durch die musikalische Begleitung von Stefan Huber auf allerlei Instrumenten und Tonerzeugern die Erzählung plötzlich lebendig wird.
Für Otfried Preußler führt der Weg von Bethlehem nach Ägypten ganz selbstverständlich durch das Königreich Böhmen.
Auf ihrer Flucht zieht die Heilige Familie dabei zugleich durch jenes kleine 'Große Welttheater', wie es sich in den traditionellen böhmischen Weihnachtskrippen zeigt – mit einer prächtigen barocken Fülle, der Freude am Detail der nordböhmischen Alltagswelt und zuweilen auch mit skurrilem Humor.
Viele seiner Geschichten sind Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend in Böhmen. So führt die "Flucht" „quer durch den nördlichen Teil des Landes, bei Schluckenau etwa hinein in das böhmische Niederland, dann nicht ganz bis zum Jeschken, hinum, dann weiter im Vorland des Iser- und Riesengebirges, durch vorwiegend ärmliche, meist von Glasmachern, Leinenwebern und kleinen Häuselleuten bevölkerte Gegenden bis in die Nähe von Trautenau – und zuletzt auf der Alten Zollstraße über Schatzlar hinaus ins Schlesische, wo es dann nach Ägypten hinüber nicht allzu weit mehr gewesen ist.“
Weiter erfahren die geneigten Zuhörer vom missgünstige König Herodes, der dem lieben Jesulein nach dem Leben trachtet, es drohte höchste Gefahr. Da aber erschien ein Engel des Herrn und trägt dem biblischen Nährvater Josef auf, mit Maria und dem Jesuskind nach Ägypten zu fliehen. Aber der missgünstige Herrscher hat sich bereits nach Wien gewandt, an Kaiser Franz Joseph, und per dringlichem Telegramm die Auslieferung der bethlehemitischen Wandersleute verlangt. Wie bekannt setzt sich nun die k.k.-Bürokratie knirschend in gemächliche Bewegung, schließlich bleibt die geheime Mission am k.k. Gendarmeriepostenkommandeur Leopold Hawlitschek aus der Gemeinde Hühnerwasser hängen.
Im Nachtlager bei den Möldnerschen in Niemes findet die Heilige Familie in der Stube eine der typischen mechanischen Tuchmachkrippen, die einen Großteil des Raumes einnimmt, mit Uhr- und Pfeifenwerk und hunderten Figuren. Eine Augenweide für den Hl. Josef.
Während der Erzengel Gabriel - nicht ganz streng nach den Worten der Schrift - in Gestalt des Esels die Heilige Familie führt, schicken die Höllenfürsten den Mittleren Oberteufel Pospisil, damit er in den Polizeihund Tyras einfährt und das Heil der Welt auf ewig vereiteln soll.
Und wie es ausgeht wissen wir alle genau und wenn nicht, dann nachlesen.
Zum Autor Bernhard Setzwein
Geboren 1960 in München. Studium der Germanistik. Seit 1985 freischaffender Autor, lebt seit 2016 in Cham nahe der bayerisch- böhmischen Grenze. Ständiger freier Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks mit Features zu Kultur- und Literaturthemen, Beiträger verschiedener Zeitungen und Zeitschriften.
Auszeichnungen u.a.: 2013 Kulturpreis für Literatur der Sudetendeutschen Landsmannschaft.